Liebe Frau Hegmann. Seit knapp eineinhalb Jahren gibt es den Kirchenkreis „Eder“, der aus den ehemaligen Kirchenkreisen „Frankenberg“ und „der Eder“ hervorging. 46.500 Gemeindeglieder, 39 Pfarrstellen und fast 50 Pfarrerinnen und Pfarrer – da ist immer etwas los. Macht Ihnen die Arbeit als Dekanin immer noch Spaß?
Manches macht auch weniger Spaß, zum Beispiel das Abzeichnen von dicken Belegordnern oder die Teilnahme an Sitzungen, für die die Hälfte der aufgewendeten Zeit auch ausgereicht hätte. Aber insgesamt bin ich mit Freude bei der Sache. Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen kreativ und mit Herzblut in ihrer Gemeinde mitarbeiten, wie sie das Gemeindeleben mit weniger finanziellen Mitteln, aber dafür mit mehr Zusammenarbeit gestalten. Das zu fördern, ist eine spannende Aufgabe. Außerdem bin ich ein Mensch, der immer eine Herausforderung braucht. Und an Herausforderungen mangelt es in einem Kirchenkreis in der Regel nicht.
Der Kirchenkreis geht von Dehringhausen im Norden bis nach Schiffelbach im Süden, von Rengershausen im Westen bis nach Mandern im Osten – das ist schon eine beeindruckende Größe. Da sind Sie in den letzten anderthalb Jahren ja ziemlich herumgekommen. Was hat Sie bei Ihren Besuchen in den Gemeinden am meisten beeindruckt? Wo sehen Sie, dass bereits etwas zusammen wächst?
Dazu fallen mir spontan drei Beispiele ein:
Erstens die Flüchtlingshilfe. Menschen schließen sich auch über die Kirche hinaus zu Netzwerken und Initiativen zusammen. Sie sammeln Kleider- und Sachspenden, bieten Sprachkurse an, machen Sportangebote, unterstützen bei Behördengängen und anderes mehr. Das ist gelebte Nächstenliebe, finde ich.
Zweitens die vielen Kooperationen: Die Kirchengemeinden in der Region Bad Wildungen arbeiten zusammen, um attraktive Freizeiten für Konfirmandinnen und Konfirmanden anzubieten, das „Konficamp“. Ähnliches gibt es auch in der Region Frankenberg. In Bad Wildungen und Reinhardshausen gibt es eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Kurseelsorge und Gemeinde, von der beide Seiten profitieren.
Und drittens unser Projekt „Klangreise“. Chöre und Musikgruppen sind außerhalb der „Heimatkirchen“ aktiv und lernen so einen anderen Teil des Kirchenkreises kennen. Höhepunkt ist Kantatengottesdienst mit einer Bachkantate zum Mitsingen am 8. November in der Frankenauer Kirche. Wer Lust zum Mitmachen hat, kann sich an Bezirkskantorin Ulrike Tetzer wenden: bzk.eder@online.de
Alte Grenzen zwischen den Kirchenkreisen werden überwunden, gemeinsame Projekte gestartet. Es ist schön zu hören, dass sich an der Basis etwas tut und die Menschen gemeinsam aktiv werden, um Kirche in der Region zu gestalten. Was sehen Sie als größte Herausforderung auf dem Weg in die Zukunft? Was stehen für Aufgaben an?
Ein kritischer Punkt ist natürlich das liebe Geld. Weniger Gemeindeglieder = weniger Finanzen. Das bedeutet nicht nur weniger Mittel für die Gemeindearbeit vor Ort. Auch Pfarrstellen und andere Stellen für haupt- oder nebenberufliche Mitarbeitende werden weniger.
Ein weiterer kritischer Punkt ist der Erhalt von Kirchen und Gemeindehäusern. Wie aufwendig werden sie renoviert - oder auch nicht renoviert? Von welchen Gemeindehäusern sollten wir uns trennen, weil wir sie nicht auslasten und damit auch nicht halten können? Gibt es alternative Gebäudekonzepte, evt. auch in Kooperation mit Kommunen? Auf diese Fragen müssen wir Antworten finden.
Jenseits dessen sehe ich aber noch eine ganz andere Herausforderung, nämlich für den evangelischen Glauben als Kraftquelle und Orientierungsmarke zu werben. Wir könnten noch viel deutlicher machen, warum es ein Gewinn ist, an Jesus Christus zu glauben. Etwas spitz gesagt: Wenn wir nach außen nicht deutlich machen, worum es uns inhaltlich geht, brauchen wir uns über kurz oder lang mit Finanzen und Gebäudefragen nicht mehr zu beschäftigen. Glaubenskurse und Gesprächsgruppen in unserem Kirchenkreis oder die Arbeit mit Jugendlichen sind hier ein hoffnungsvoller Anfang.
Da stehen den Gemeinden ja große Herausforderungen bevor. Das kann auch Angst machen. Was können Sie den Gemeinden mitgeben, was gibt Ihnen persönlich Kraft?
Am besten gelassen bleiben. Das meine ich ganz ohne Ironie. Ich vertraue darauf, dass Gott die Kirche lenkt und Wege zeigt, die wir gehen können. Es gab auch in der Vergangenheit schwierige Zeiten für Gemeinden. Und trotzdem ist es weitergegangen, oft auch gut weitergegangen. An dieser Stelle wünsche ich mir manchmal etwas mehr Gottvertrauen. Außerdem steht niemand allein mit den Herausforderungen da. Sie haben gerade auf die 46500 Gemeindeglieder im Kirchenkreis Eder hingewiesen: Wir sind viele! Wenn jeder einen kleinen Schritt geht, wird zusammen genommen viel bewegt.